Seit drei Wochen ist die neue DSGVO in Kraft – inzwischen will und kann es keiner mehr hören. Die nächste Datenschutz-Sau wird schon durch das Soziale-Medien-Dorf gejagt: Facebook-Fanseiten-Betreiber seien selbst verantwortlich für den Datenschutz auf der Facebook-Seite, nicht Facebook. Was sich zeigt, ist eine Kluft zwischen denen, die die sozialen Medien mit Gesetzen unter Kontrolle halten wollen, und denen, die in und mit den sozialen Medien leben und arbeiten. Das hier ist mein persönlicher Bericht aus dem Krisengebiet.
Plötzlich „Datenverarbeiter“
Zum ersten Mal hörte ich von der DSGVO im März diesen Jahres – nachdem ich mich gerade von den Folgen eines unternehmerischen Anfängerfehlers erholt hatte und mit neuer Motivation und besseren Entscheidungsgrundlagen in meine Selbständigkeit investieren wollte. Wenn in den Nachrichten über die DSGVO gesprochen wird, heißt es, Unternehmen hätten zwei Jahre Zeit gehabt, sich auf die Umsetzung der DSGVO-Richtlinien vorzubereiten. Das ist, wie es auch dieser Rant auf t3n auf der zweiten Seite sehr treffend sagt, eine unrichtige Darstellung; in meinem Fall wusste ich den Großteil der vergangenen zwei Jahre noch gar nicht, dass ich im Mai `18 ein Datenverarbeiter sein würde, für den diese Verordnung eine Rolle spielt – wenn ich denn von deren Existenz gewusst hätte. Und tatsächlich wurde das Thema auch in meinem beruflichen Umfeld und in den Medien erst ein Thema, als die Gültigkeit der Verordnung schon fast vor der Tür stand, weil erst gegen Ende überhaupt die Texte veröffentlicht und faktischen Konsequenzen deutlich wurden.
Die Frage nach dem Sinn
Meine erste, instinktive Reaktion auf diese Erkenntnis war lähmende Angst – und damit war ich nicht allein. Aus der Angst folgte rasch eine Ratlosigkeit und, schlimmer noch, ein Mangel an Motivation beziehungsweise die alles überschattende Frage nach dem Sinn. Lohnte es sich überhaupt, am eigenen Unternehmen zu arbeiten, wenn ich nun statt mit meiner Kernkompetenz hauptsächlich damit beschäftigt sein würde, einem unüberblickbaren Werk strenger Regeln zu folgen, ständig überschattet von der Gefahr, ein Wettbewerber oder auch nur ein zwielichtiger Anwalt könnte mich auf mein bisschen Gewinn verklagen und mein Unternehmen einstampfen, bevor es zur Blüte gekommen wäre? Auch damit war ich nicht allein; als ich aus meinem eigenen Tief herauskam und Posts las, Veranstaltungen besuchte und Gespräche führte zum Thema DSGVO, las und hörte ich von anderen Selbständigen immer wieder: „Ich schmeisse alles hin“ oder „Da kann ich gleich aufgeben, das kann ich ja alles gar nicht leisten.“
Das tragische an dieser Auswirkung politischer Entwicklung ist, dass das eigentliche Ziel war, den einzelnen Verbraucher, also uns als Privatpersonen, vor den Handlungen und Nachlässigkeiten großer Unternehmen zu schützen, die ja tatsächlich große Mengen Daten sammeln und verarbeiten. Der Fokus liegt dabei auf dem umfassenden Schutz des Privaten vor dem Kommerziellen – eine Legislative von europäischer Reichweite kann dabei naturgemäß nicht auf der mikro-politischen Ebene differenzieren, auf der sich Selbständige bewegen, nämlich sehr nah am Privaten.
Bange machen gilt nicht
In meinem persönlichen Fall erwies sich an Sturheit grenzende Beharrlichkeit als Ariadnefaden. In den sozialen Medien umkreiste ich das Thema DSGVO immer enger, setzte überall Lesezeichen, wo ich die fünf Buchstaben sah, und verarbeitete die hereinkommenden Informationen schnittchenweise. Nach und nach sedimentierte sich auch ein Plan, was ich tun muss beziehungsweise tun kann – einer der wichtigsten Faktoren dabei, aus einem Gefühl der Hilflosigkeit wieder Handlungsmacht zu erlangen.
Es ist auch den zahlreichen Beiträgen von Profis und anderen erfahrenen Selbständigen und Unternehmerinnen zu verdanken, dass das „Biest aus Brüssel“ langsam aber sicher auf Haustiergröße schrumpfte. Vor allem hörte ich Stimmen, die immer wieder auch betonten, dass es den Verordnenden eben nicht um uns „kleine Fische“ ging, dementsprechend das Risiko für uns so überschaubar bleibt wie die Datenmengen, die wir tatsächlich verarbeiten. Schließlich erlaubte ich mir, meine Ängste ziehen zu lassen, nach einem Themenvortrag bei den Krefelder Unternehmerinnen, bei dem die vortragende Juristin mir (nicht mit Absicht) vor Augen führte, wie weit „juristische Sachlage“ von der echten (zwischen-)menschlichen Realität entfernt sein kann. Zurück blieb der Entschluss, meine Sache so gut zu machen, wie es mir möglich war, und mit diesem guten Gewissen einen Schritt nach dem anderen zu tun.
Aus Zitronen Limonade
Drei Wochen nach in Kraft treten der DSGVO ist im Rückblick jedenfalls schon einmal festzustellen: Wir machen (fast?) alle weiter. Wir haben unsere Datenschutzerklärungen aktualisiert und unsere Webseiten DSGVO-konform optimiert. Wir wissen, was wir tun müssen oder wenigstens, wen wir fragen, wo wir nachschauen können. Wir unterzeichnen überall, dass wir informiert wurden, klicken auf Links, um Newsletter weiter zu empfangen, und können inzwischen sogar über DSGVO-Witze lachen.
Nach dem Motto, die Krise als Chance zu begreifen, habe ich mich über den Verlauf der letzten Monate daran erinnert, dass es kein Zeichen von Versagen ist, sich dort Unterstützung und Kenntnisse abzuholen, wo sie mir fehlen. Einen Domain-Umzug (eigentlich zwei, da meine frauenfiguren. de auch mit umgezogen sind) und einen kompletten Webseiten-Neuaufbau später, um einige Begriffe und Zusammenhänge klüger und schließlich mit gutem Gewissen auf der anderen Seite des gefürchteten 25.05.2018 angekommen, kann ich resümieren.
Die Zitronen der DSGVO ergeben für mich Limonade in Sachkenntnis und gewachsenem Selbstbewusstsein. Webhosting war mir bis dahin nur ein vager Begriff, nun kann ich selbst einen Dienstleister weiterempfehlen. Ich habe meine Erfahrungen mit WordPress ausgebaut und neu zu schätzen gelernt, so sehr, dass ich nun auch gerne KundInnen Unterstützung anbieten kann, wenn sie ihre Webseiten in diesem Rahmen selbst gestalteten und betreiben wollen. Und ich habe mein Vertrauen darin gestärkt, dass ich das, was ich mir zum Ziel setze, erreichen kann – in meinem eigenen Tempo, ja, aber doch zielsicher.
Das Entscheidende am Hinfallen ist das Aufstehen danach
Ich hoffe und wünsche meinen selbständigen KollegInnen, dass sie ähnlich positive Erfahrungen in Selbstwirksamkeit und Lernfähigkeit machen oder gemacht haben. Der Zusammenhalt unter Unternehmerinnen vor allem war in jedem Fall ermutigend. Jetzt kann die nächste Krise kommen.